Großalmerode, den 16.11.1933
Liebe Brüder!
Vor allem: Georg ist ersichtlich krank, es ist Venenentzündung zu seinem bisherigen Steinleiden hinzugekommen, und ich habe ihn noch nicht einmal besucht. Es war ein unglückliches Zusammentreffen. Eigentlich hoffte ich, zugleich Otto l. bei Georg wiederzusehen. Dann ist daraus nichts geworden, weil ich an dem betroffenen Tage, den 6. Xl. verhindert war, u. so bin ich bisher auf dem Sprung nach Schlüchtern geblieben. Georg möchte nicht, daß ihn gegenwärtig mehr als einer am gleichen Tage besucht. Auch Hans war mit seiner ganzen Familie krank, hat außerdem manches Schwere durchgemacht, weil man öffentlich den Vorwurf der Staatsfeindschaft gegen ihn erhoben hatte.
Schließlich kommt noch Hugo hinzu, von dem ich seit meiner Begegnung mit ihm nichts mehr gehört habe, um den ich mich sorge. Eine Freude haben Brunners erlebt, denen ein Töchterchen geschenkt wurde. Übrigens war mein Bericht von meiner Reise im vorigen Rundbrief unvollständig. Insofern ich die Kinder im Hause von Erwin Schmidt und das 1 jährige Töchterchen von Fritz Stöhr u. Frau Alice besonders hatte erwähnen müssen, vielleicht, weil es dem Junggesellen besonders auffällt, wenn er die Brüder mit dem Reichtum u. der Freude einer Familie beschenkt sieht. Fritz, der die Kirche in Genua gleichschaltet, ist dabei von Sorgen für die Familie unbeschwert, ganz anders der Pfarrer der im Kampf stand.
Übrigens, um das gleich vorweg zu nehmen: Es gibt jetzt einen Notbund von Pfarrern gedacht ist an die Erweiterung durch die Leien, um unter Berufung auf das Bekenntnis der Kirche den Arierparagraph von der Kirche fernzuhalten. Zeitschrift: Die junge Kirche. Verlag: Vandenhoek u. Rupprecht, Göttingen. Wie ich höre, soll der Sonntagsbrief, bei dem Praesent mitwirkt. Zum Sonntagsblatt ausgebaut Werden. Georg dagegen scheint, abgesehen von den Alten Augen leider verstummen zu wollen, ich denke, nur vorübergehend. Es ist allerdings nicht einfach, heute zu schreiben. Ich versuche, der neuen zeit gerecht zu werden u. wäre froh, wenn ich mit gutem Gewissen frühere Ansichten korrigieren dürfte. Mir scheint die Gegenüberstellung von politischem Messianismus u. biblischem wie zu Pfingsten, allerdings heute zu schematisch u. oberflächlich. Der N.S. (National-Sozialismus - N.R) drängt sich an u. für sich nicht die letzte Frage nach unserem Verhältnis zu Gott ein, andererseits läßt die Gemeinde Jesu die Frage offen, wie heute u. jetzt ein Volk regiert werden soll, während sie auf den Tag Christi wartet. So ist praktisch Raum für eine fruchtbare Begegnung der Bewegung u. der Kirche, wenn sauber die Grenzen gesehen werden; aber wohl ist mir dabei noch immer nicht. Ghandi (sic) schreibt an einen amerikanischen Bischof…. Daß Friede u. Abrüstung nicht eine Frage der Gegenseitigkeit sind. Denn wirklicher Friede u. wirkliche Abrüstung kommen, wird damit eine große Nation wie Amerika anfangen, gleichgültig, ob andere Nationen zustimmen od. mittun. Ein Einzelner od. eine Nation muß glauben an sich selbst u. an die schützende Kraft Gottes haben, um Frieden mitten im Kampf zu finden, u. alle Waffen ablegen, einfach weil sie die liebende Kraft Gottes und seinen schützenden Schild spüren… Lutherisch ist das nicht, vielleicht schwärmerisch. Hat nun Luther recht wir müssen auch da gewissenhaft sein und nicht gefühlsmäßig Gandhi recht geben. Ich habe absichtlich vor dem 12. Geschwiegen, zumal auch der Bund mir gegen über im wesentlichen schwieg. Liebe Brüder, tut das doch nicht! Schreibt doch, wie es Euch geht, damit man voneinander weiß. Oder fürchtet ihr Euch, einem Briefe Eure Gedanken anzuvertrauen? Nun, so bleibt immer noch das Erleben mitteilenswert. Ich selber habe meine 2 kreuze gemacht u. am Wahltage über Röm.ll,ll-32gepredigt, was man in Großalmerode tun darf, obwohl S.A.-Leute in der Kirche mich abhörten. Ich sehe, daß ich in besonderen Verhältnissen lebe. Habe übrigens auch den Rabbi Nachmann erwähnt, der im 13. Jahrhundert auf einer Disputation mit einem Dominikaner erklärte. Jesus könne nicht der Messias sein, weil das Reich des Messias ein Friedensreich sei. Ich selbst rette mich augenblicklich in das Luthertum, das nicht pazifistisch ist. Könnte man doch einmal wieder zusammen kommen u. davon sprechen.
In herzlicher Liebe Euer Hermann (Sauter)
Poststempel Schlüchtern, 18.11.33
Lieber Hermann Im Vorlage Wallmann (Leipzig) ist für 60 Pf. Ein neues Büchlein von Prof. ??? ……(Basel) erschienen, betit
(Anmerkung - es ist auffallend, dass sich auf derselben Seite des maschinengeschriebenen Briefes der Beginn eines Antwortschreibens zu finden ist - das die Vermutung nahelegt, der Brief habe ursprünglich handschriftlich vorgelegen und sei zur Vervielfältigung abgeschrieben und dabei sogleich mit einer Antwort evsrehen worden. -Nataly Ritzel).
Pastor J. Jensen, Lübeck- Travemünde, den 22. Februar 1935.
Travemünde.
Herrn
Pastor Hugo Schmidt,
Belzig (Mark).
Lieber Hugo!
Ende August vor. Je. schrieb ich an dich und liese den Brief seinerzeit über Ernst Georgi gehen, da ich damals Deine Anschrift nicht wusste. Wahrscheinlich hat Dich der Brief nicht erreicht. So muss ich Dir noch einmal in der leidigen Angelegenheit der Weise_Denkeschrift schreiben. Noch immer steht da für Dich der Betrag von RM 12,60 offen für die seinerzeit entstandenen Vervielfältigungskosten. Den ursprünglich über RM 18,-- sich belaufenden Betrag hatte ich seinerzeit soweit herabdrücken können. Aber durch mancherlei widrige Umstände ist die Begleichung der Summe von Deiner Seite noch unterblieben. So ist z.B. Dein am 2.September 1932 an mich gelangt, (Dein Brief war über Hermann Th. gegangen), und in den Aufregungen der folgenden Monate hatte ich die Sache völlig vergessen, so dass ich auch bei unserer Begegnung in Hamburg nicht daran dachte. Erst im letzten Sommer bin ich daran wieder erinnert worden, als der evangelische Jugend – und Wohlfahrtsdienst Lübeck, der seinerzeit den Betrag verauslagt hatte, auf die Begleichung drängte. So möchte ich Dich bitten, mir den Betrag nun baldmöglichst auf mein Postscheck-Konto Hamburg 44496 zugehen zu lassen.
Wie mag es Euch nur gehen und ergangen sein? Von dem Treffen in Frankfurt haben wir von unserm lieben Hermann noch Nachricht erhalten und dann hörten wir, dass Du nun endlich wohlbestallter Pastor in der Kurmarkt geworden bist. Hoffentlich können wir uns denn nun beim nächsten Treffen sehen!
Von uns ist Besonderes nicht zu berichten. Persönlich geht es und gut, sachlich und in der Arbeit tragen wir ja alle dieselbe Last. Bei uns ist äusserlich zur Zeit alles ruhig. Umsomehr kommt es auf die innere Arbeit der Sammlung und auf viel Geduld und – Glauben an. Ich erwarte keine „Entscheidungen“ von irgendwoher. Welcher Weg vor uns liegt, weiss Gott allein. Aber Ihm dürften wir die Sache unserer Kirche und des Bekenntnisse wahrhaftig getrost anvertrauen. Kennst Du übrigens die neue Schrift von Asmussen? (Theologische Existenz, Heft 16 ?) Ich finde sie im Blick auf Lage und Aufgabe überaus bedeutsam.
Lass Dich mit Hanna auch in Anna’s Namen herzlich grüssen
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