Donnerstag, 24. Dezember 2020

Ein Psalm und Asche und schlechte Witze

 In den letzten Wochen und Monaten gab es viele Artikel in den großen Tageszeitungen zu lesen über das, was  Antisemitismus heute wieder in Deutschland anrichtet, über das, was als antisemitisch zu gelten habe und wer überhaupt das Recht habe, darüber zu befinden. Wer zu schweigen habe und bei wem von Maulhalten und Zensur keine Rede sein dürfte.


Mir ist momentan mehr nach Psalmen

Und dem was Carl Theil und Martin Buber diskutierten, wenn sie über den ... Psalm oder jenen sprachen oder sich Briefe schrieben.


Auffallend sind mir dabei die recht unterschiedlichen Interpretationen, die Carl Theil heranzieht und es ist eindrücklich, wie sehr die Auffassung von der Martin Bubers abweicht.

So schrieb Theil:


"Eine Änderung, die mir persönlich fast schmerzlich ist, ist der Schluß von Ps.91 "auf meine Freiheit lasse ich ihn sehen" Es ist dieser Schluß mir in der 1.F. eine Verheißung, genau wie der Schluß von Pf.50, und dieser Verheißungscharakter geht durch das hinzugefügte "auf" völlig verloren: es ist eine bloße Aussage, allenfalls eine unverbindliche Zusage, eine Aussage ohne jedes Obligo Gottes geworden. "Auf meine Freiheit lasse ich ihn sehen ?" - aber ob ich sie ihm auch zuteil werden lasse, daß er selber sie sieht und erfährt, steht noch dahin, während die Verheißung aber das genaue Gegenteil ist: aus der Freiheit Gottes gegebenes Obligo, das einzulösen er gewillt ist. (Du weißt, wie ich diese Stelle liebe, und warum). "


Bei Martin Buber steht heute am ende des Psalms, in einer Ausgabe von Lambert Schneider aus dem Jahr 1975, neu aufgelegt 1992 :


"ja, er hat sich an mich gehangen

und so lasse ich ihn entrinnen,

steilhin entrücke ich ihn,

denn er kennt meinen Namen.

Er ruft mich und ich antworte ihm,

bei ihm bin ich in der drangsal,

ich schnüre ihn los und ich ehre ihn.

An Länge der tage sättige ich ihn, ansehn lasse ich ihn mein Befreien."


(Das Buch der Preisungen, verdeutscht von Martin Buber).



Verschiedene theologische Auffassungen finde ich spannend, gerade auch in Zeiten von persönlichem Stress, wenn ich Angst habe... denn es bringt mich zum Nachdenken.

Vorallem eine nicht eineindeutige Handlungsanweisung und gerade auch eine  widersprüchliche Empfehlung, die nicht in einem barschen" Machdasjetztgefälligst" gipfelt.


Aber ich sollt hier nicht von mir reden, schliesslich geht um Antisemiten.


Natürlich würde mich noch mehr dazu die Überlegungen interessieren, die mein Großvater zu Bibelübertragungen, biblischen  Nacherzählungen und Thomas Manns literarischen Kunst inspiriert zusammengetragen hat. Auf der Suche nach de Mendelssohn, nach Erich Mendelssohn und nach Mendelssohn tout court.

Aber es finden sich da weniger Psalmen als eher Propheten

Jesaja Daniel...

Und schon wird die Bahn abschüssig, antisemitisch.

Wenn ich der jüdischen Allgemeinen folgen darf

Daniel gilt nicht als jüdischer Prophet, ist nicht  einer, der im jüdischen Rahmen zitiert wird




Es geht hier nicht um einen innerreligiösen Dialog, es geht um Ausgrenzung

Hermann Cohen – so höre ich von jüdischer Seite, sei ein Vertreter des assimilierten Judentums. Nur als solcher sei er einem Deutschen verständlich.

Hermann Cohens Beitrag zur Philosophie, welche jüdische Philosophen würdigen können,  sind, so schwingt es unterschwellig mit, für einen deutsche Leser nullundnichtig im Hinblick auf die historische Schuld.


Im Hinblick auf die rein deutsche Planung und Durchführung des Holocaust, ist der Versuch,, sich vorzustellen,  Hermann Cohen zu lesen, sei ein Beitrag zu Toleranz und  Verständigung - hinfällig.


da dies mir neu ist, gerate ich hier ins Stocken.

Auch weil darin eine Behauptung liegt, die mir noch inakzeptabler erscheint -

auch wenn die Logik sie freundlicherweise unterschlagen hat -

approximativ-logisch kann man sie wieder hervorholen.


Ist damit Hermann Cohens Konzeption der Vernunftreligion verdächtig?

In philosophischer Hisnicht?

Und: Kann ich überhaupt so tun, als liesse sich ein gesellschaftliches Jetzt von  einer philosophischen Betrachtung trennen?

ist das nicht was wir Heidegger vorwerfen, so zu tun, als sei Antisemitismus, Judenvernichtung nichts, das mit Philosophie zu tun habe?


Und schon steht es mir als Nichttheologin schlecht an, Hermann Cohen zu zitieren.

Carl Theil, nach dem ich nun in Freiburg Kantoren gefragt hab

und in Berlin junge jüdische Leute, Menschen der dritten oder vierten Generation,

gilt als Philosemit, als Denunziant -

man braucht noch nicht mal Beweise vorlegen, Belege, Dokumente, man darf das einfach behaupten.


Wie wäre das, ich würde mal bei Ihnen ins Haus kommen und einfach so auf Dinge zeigen, fragen: Ist das geklaut?  oder: Haben wir das nicht geklaut - darf ichs nochmal mitnehmen...?




Allerdings fällt es mir zunehmend schwerer, die jüdische Allgemeine zu lesen.

Mir sind jüdische Zeitungen wichtig, gerade auch in ihrer Alltäglichkeit.

Alltag ist wichtig, nicht nur die hohen Feiertage.


Aber es fällt mir schwer, einfach weil ich gerne blöde Witze mache, fluche und überhaupt sehr vulgär bin, nicht einen Nachahmungsmist zu produzieren, wenn ich jüdische Statements über die "Philosemitische Scheisse" lese, welche Deutsche von sich geben, wenn sie über den Holocaust reden.

Neulich vor wenigen Tagen habe ich einem jüdischen Schauspieler  Dokumente aus dem KZ Buchenwald gesandt,  einen Totenschein,

er hat darauf mit einer Stefan Raab Parodie geantwortet.







Darf ich mich nun im Gegenzug darüber lustig machen?

Gehört es nicht hierhin?



Vielleicht lese ich doch lieber Carl Theils Brief weiter, und wieder, immer wieder


"Die entscheidende Stelle ist aber Ps. 125: 

"Die abbiegen aber,
ihre Krümmnisse läßt Er sie gehen". 


Hier am allerwenigstens möchte ich die 1.F. preisgeben, denn diese Stelle bedeutet mir den Durchbruch einer ganz neuen, bisher unerhörten Gotteserkenntnis (weit mehr als bloß einer neuen "theologischen" Erkenntnis), einzig und allein vergleichbar der Gotteserkenntnis der berühmten Amosstelle (9,7; vgl Königtum Gottes S.73) und dieser ungeheure Durchbruch wird durch die ganz substanzlose 2.F bis auf die letzte Spur ausgelöscht. 

Oh Freund, diese Stelle darf nicht abgeändert werden, wenn auch irgend eine besser beglaubigte Subalternlesart dies nahe legen sollte. Es gibt kein aktuelleres Wort im ganzen Psalter! Keines, das mich mehr, bis ins innerste Herz getroffen hätte: ich kann Dir nun diese meine unmittelbarste Erfahrung zur Rechtfertigung anführen, da mir die Erkenntnis des Textes? versagt ist, und möchte mit leidenschaftlicher Inbrunst mit Dir darum kämpfen, um Dich zu überzeugen: hier, wenn sonst irgendwo, geht es um die Rettung oder Wiedergewinnung des echten Wortes! 

Lass mich bald wissen, wie Du Dich entschieden hast! "