Donnerstag, 7. Februar 2019

S.O.Fath und das Département étranger Hachette

Der Buchhändler und die leeren Buchrücken.
Vorüberlegungen.

Introduction.
Das Frankfurter Universitätsarchiv bewahrt im Nachlass des Rechtsgelehrten  und Rechtsphilosophen Gustav Radbruch (18.. bis 1949) eine Karte des „cand.jur.“ Siegfried Fath an Gustav Radbruch auf, welche besagt:



Gustav Radbruch,  dessen Überlegungen zu Fragen des Gesetzlichen Unrechts oder dem übergesetzlichen Recht
war 1936 aus Oxford zurückgekehrt, hatte 1938 keine Lehrerlaubnis, sondern lebte mehr oder weniger als Privatmann seinen kulturhistorischen Werken in einer Art Hausarrest. Die Abhaltung eines Rechtskollegs durch Radbruch in s/einer Eigenschaft als Sachverständiger oder Koryphäe für Internationales Recht in Zeiten und während des Dritten Reich auch bloss in einer Funktion als ordentlicher Professor der Jurisprudenz scheint also sehr fraglich - wenn es sich nicht ein Rechtsauskunft auf privater Basis oder eine inoffizielle Empfehlung gehandelt haben kann / könnte war, welcher der  ehemalige Student (S.Fath hatte in den zwanziger Jahren bei Radbuch gehört) sich auf welchen Gründen auch immer einzuholen genötigt sah.

Im politischen Archiv des Auswärtigen Amtes fand sich, aus dem Jahr 1944 stammend, ein weiterer  Lebenslauf des S.O.Fath. Diesmal eine Art Brückenschluss zwischen einer Tätigkeit des S.O.Fath für das Auswärtige Amt und einer Übernahme in den diplomatischen Dienst als Sonderbeauftragter für Musik Literatur und Film beim deutschen Botschafter / in der deutschen Gesandtschaft zu Athen.
Der Grund für die Schwierigkeit und der weitere Grund für die damit bedingte Notwendigkeit, diese Schwierigkeit erst aufzulösen, damit ein für das Auswärtige Amt Tätiger erst in den Zustand kommen sollte, diplomatischen Schutz zu geniessen - wird aus den Unterlagen der Personalakte des S.O.Fath nicht recht deutlich, allerdings wird mehrfach darauf verwiesen dass S.O.Fath, der der Partei nicht angehörte, doch nun endlich den Eid auf den Führer abgelegt habe..
Zumindest aber wird in dem diesem Privatvertrag beigehefteten Lebenslauf, der in den biographischen Handbüchern des Auswärtigen Amtes einzusehen ist, erkennbar, dass S.O.Fath im Jahr 1940/41 im Auftrag der Mundus AG in kommissarischer Tätigkeit für  das Département Etranger Hachette, gearbeitet hat.
Die Mundus AG, die in Frankreich unter der Bezeichnung „Hibbelen Trust“ viel bekannter als sie in Deutschland grâce // dank ihrer externen, nichtdeutschen Strohmannschaft oder „Schirmherrschaft“ bislang je bekannt werden wollte, gilt auch als „slowakische Aktiengesellschaft“.
Umso größer meine Überraschung als ich auf den Gehaltsauszügen der Mundus AG, ebenda, nämlich im politischen Archiv des Auswärtigen Amtes zu Berlin Gehaltslisten fand, auf denen Siegfried Fath über Hibbelen steht.
In der Personalakte des politischen Archivs des Deutschen Auswärtigen Amtes beziehungsweise in seinem dort abgehefteten Lebenslauf führte S Fath ausführlicher eine Buchhändlerlehre sowie Arbeit in der Freiburger Universitätsbuchhandlung schliesslich einen mehrjährigen Griechenlandaufenthalt ab Winter 1933 bis Frühjahr 1937 in der Buchhandlung Eleftheroudakis
1937/38Arbeit für Langen-Müller
ab 1940 die kommissarische Tätigkeit der Mundus
sowie ab Juni 1941 die neuerliche Tätigkeit (unspezifiziert) in Griechenland für die Biblios AG an.


Um die Lücke zwischen der Karte an Gustav Radbruch, der Tätigkeit für das  Auswärtige Amt beziehungsweise für MUNDUS zu schliessen und um einem sehr vagen Hinweis nachzugehen auf eine Beschäftigung Siegfried Faths in einer der nachkriegszeitlich geschaffenen (aber im Widerstand und in sozialdemokratischen Überlegungen zur Post-NS-Ära beispielsweise unter Hermann Brill, Thüringen vorbereiteten) Behörde - der Anstalt zur Wiedergutmachung (die so der familiäre Informant GERNE Nazis verwendet hat um Wiedergutmachung nun nach 1945 in neuer Form aktiv zu verhindern)
habe ich begonnen, im Generalarchiv Karlsruhe nach S.O.Fath zu suchen, wo tatsächlich eine Akte…eine Strafakte Siegfried Fath zu finden ist.
Es ist die – leider lückenhafte – Akte des Entnazifizierungsverfahrens. In einer handschriftlichen Notiz weist Siegfried Fath darauf hin dass die persönlichen politischen Lebensumstände bei seiner Einstellung von der amerikanischen Militärbehörde einer  eingehenden ausführlichen Überprüfung unterzogen worden war / sei.
„Einstellung“ meint hier effektiv nicht zu Ende bringen sondern: „ in Dienst stellen“.  Siegfried Fath wurde Abteilungsleiter in einen Departement der US Militärregierung, Karlsruhe, bevor er – nach Stilllegung des amerikanischen Bureaus – entlassen, den Dienst beim Finanzamt Karlsruhe, welches in den ersten Jahren für Angelegenheiten der Wiedergutmachung zuständig war, antritt.
Es ist eine Personalakte mit einer offenbar lückenhaften Dokumentation, in welcher der Hinweis auf die Arbeit für Mundus, im Rahmen der kommissarischen Tätigkeit von „Hachette“ und für die Biblios AG in Griechenland nicht mehr erwähnt wird.
Aufgelistet wird ein vierwöchiger Einsatz als Soldat / (Fahrer) gegen Ende des Krieges (April 1945 bis Mai 1945) in Österreich, seine Gefangennahme durch die russische Armee, seine Zeit in einem russischen Kriegsgefangenenlager im Nordosten der Sowjetunion ab, Rückkehr am 25.Oktober 1946 und die Einstellung ab 14. November  1946 in den Dienst der US Militärregierung als Abteilungsleiter.
Da nur eine Zeitspanne von knapp 3 Wochen zwischen der Heimkehr aus Russland und der Aufnahme in den Militärischen Dienst der US Streitkräfte, noch dazu als Abteilungsleiter liegt, müssen die 3 Wochen als ausreichend für eine vertiefte Prüfung der Lebensumstände des S.O.Fath angesehen werden.
Vielleicht kann unterstellt werden ( Arbeitshypthese), S.O.Fath habe bereits längere Zeit vor seiner Gefangenschaft als Soldat  in Russland einen wie auch immer gearteten Kontakt mit der amerikanischen Militärbehörde aufgenommen.
Allerdings scheinen seine von ihm selbst angegebenen „besonderen Fähigkeiten“ („Fahrer/ Chauffeur und Schreibmaschineschreiben“) eine solche Verwendung kaum zu begründen.

Immerhin könnte man Ähnliches auch von dem merkwürdigen Unternehmens-konglomerat der „MUNDUS AG“ sagen. Die deutsche Sekundärliteratur zu „MUNDUS“ ist recht spärlich, um nicht zu sagen, kaum vorhanden bis auf die Arbeit von Peter Longerich, manches entnimmt sich der Abetz-Biographie von B.Lambauer ( doch nicht ohne neue Fragen aufzuwerfen).
Ob „ MUNDUS“ das gleiche meint wie : „Trust Hibbelen“ oder slowakische Aktiengesellschaft oder Parteiorgan des Ehlerverlags - und  einiges oder manches  wieder identisch ist mit „Luthers Imperium“ – ist nur nach vielem Suchen und selbst dann, nach Stand  deutscher oder französischer Forschungsliteratur, etwas sowohl sehr Gleiches und doch sehr Verschiedenes.
Da die Quellen zu „Mundus“  verstreut und unübersichtlich, zumindest, nach dem Wenigen was mir einzusehen gelang : Aufgrund eines Bombenangriffs 1943 , der einen grossen Teil der Mundus -Akten zerstört haben soll. (Merkwürdiger - oder glücklicherweise – für die Akten – ist man versucht zu sagen, fällt der Bombentreffer genau in den Zeitraum der „Intrigue“ und der „Entmachtung“ des Unterstaatssekretär Martin Franz Julius Luthers, was weiteren Nachfragen nicht recht dienlich ist)
Da der Haushaltsbericht für die Mundus für das Jahr 1944/45 eine Finanzbedarf von 18 Millionen Reichsmark  vorsieht sowie  detailliert das weitere Vorgehen und Handlungsoptionen der Mundus Unternehmen und Niederlassungen in Frankreich, Niederlande, Belgien, Dänemark, Spanien, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Griechenland, Italien, Spanien Portugal und Brasilien  in den Friedenszeiten beschrieb

und mir das Tätigkeitsfeld der MUNDUS also gross genug erschien, um für einen Finanzbeamten mit literarischen Ansprüchen ein den Krieg überdauerndes Tätigkeitsfeld zu finden, habe ich einen Antrag zur Einsicht in die Unterlagen des HACHETTE-Konzerns gestellt. Leider ist das IMEC / Archives Hachette  meiner Bitte um Akteneinsicht nicht nachgekommen, da sich in den zugänglichen Dokumenten angeblich oder offenkundig keine Spuren der Tätigkeit von Siegfried Fath fand.
Der Sonderbericht, den Siegfried Fath im Frühjahr 1941 angefertigt haben soll, ist  - leer.







Verlagstätigkeiten des S.Fath vor 1940
Im Jahr 1937 schrieb Hildegard Fath, Privatsekretärin von Hess und Schwester von Siegfried Fath einen Brief an den Verleger des Münchener AlbertLangen GeorgMüller Verlages,  Gustav Pezold.
„Mein Bruder, der in Athen als Buchhändler lebt, möchte gern wieder nach Deutschland zurück. Es gelang ihm aber nicht, eine Stelle zu finden. Nun meinte Herr Hess, er solle mal seinen Lebenslauf an Sie schicken. Selbstverständlich möchte ich es nicht empfehlen oder befürworten, geschweige denn Herr Hess.  Leider hat mein Bruder vergessen,  seine Unterschrift unter den Lebenslauf……zu setzen….“
In seinem Brief an Fath , in Athen, 42, odos Bukurestiou – vom 14.IV.1937 macht Pezold also ungebeten einen vorläufigen Gehaltsvorschlag von 250 RM , der im Lauf des ersten Jahres auf 300, dann bis auf 350 RM steigen könnte… Denn „ es träfe sich gut, daß er, Pezold,“seit einiger Zeit vorhabe, einen Auslandserfahrenen Buchhändler in den Verlag zu ziehen, weil ich an einen guten Erfolg glaube, wenn unsere Auslandswerbung methodischer als bisher betrieben wird(…..)Aber von einer systematischen Arbeit konnte keine Rede sein, denn ich hatte niemand, der sich genügend Zeit für dieses spröde Gebiet hätte nehmen können. Nun bitte ich um Entschuldigung, wenn ich den Zufall dieses Briefes nach  Athen benütze, Sie gleich in einer Sache zu befragen, die uns zufällig heute im Verlag beschäftigt hat….d.h. wir würden sehr gerne ein künstlerisch wertvolles und völkisch bezeichnendes, erzählendes Werk eines neugriechischen Dichters in deutscher Sprache herausbringen…“ Pezold nennt dann den Roman  „Der Sträfling“ von Konstantin Theotokis ?  ..(welches als einziges in einer deutschen Übersetzung vorliegt und den Lektor nicht ganz  zufrieden stellt)…und fragt Fath, „oder ob Sie wichtigeres und besseres kennen und ob Ihnen Personen bekannt sind, die als Übersetzer…..“

In wie weit Siegfried Fath zusammen mit Gustav Pezold in eine Phase kreativer Neuvermessung der Welt und ihrer verlegerischen Neueroberung eintrat, lässt sich aus den wenigen Unterlagen im Marbacher Literaturarchiv nicht ersehen.
Zwar kommt im weiteren Briefwechsel zwischen Pezold und Schulte Strathaus,  Kulturbeauftragter im Braunen Haus in München, die von Pezold angesprochene „Notwendigkeit“ einer Neuordnung des Auslandsbuchhandel auf. Doch leider ist der Nachlass von G.Pezold, so schildert es die Einführung des Literaturarchivs Marbach, in einem desolat schwierigen Zustand, auf einem Dachboden gefunden doch bereits zur Müllkippe verladen gewesen (worden) – von welcher nur und wenigstens ein kleiner Teil vor der Verbrennung gerettet werden konnte.