Montag, 31. Oktober 2016

Gustav Regler









Brief des Wolfgang Ritzel an seine Mutter Thilde Ritzel

Rüstersiel, 17. Mai, 56
Meine liebe Mutter,
wieder einmal habe ich mich verbessert: meine Arbeitszimmer stieß doch an die dir bekannte Kraftsche Wohnung, die inzwischen einen neuen Mieter bekommen hat, nämlich Professor Wendt den zu Semesterbeginn amts magnifierten Magnifikus für 1956/57(...)

Von Uli weiß ich gar nichts, zu Ostern kam ein Brief, seither wieder nichts, kein Dank für die Ostersendung – nichts. Auch sein Freund Gustav Regler hörte leider nicht von ihm und frug mich dieserhalb schon. Der Bub ist dort wirklich alt genug, und zum Wissen, dass man ein bissel was tun muss für Freundlichkeit, Förderung, Güter – und klug genug ist gerade er doch auch...
Wir wollen dem Plan mit Rousseauübersetzung und – Ausgabe weiter verfolgen. Ich ärgere mich jedes mal, wenn ich die schlechte deutsche Ausgabe zu Hand nehme, um meine Übung vorzubereiten, - vornehmlich darüber, dass meine Studenten auf dieselbe aufgewiesen sind, weil sie ja des französischen unkundigt sind. Ich sprach mit unsrem Politikprofessor Seidl über meinen Plan, er hat besser Verlachsbeziehungen und will sich das Projekt wohl annehmen. In der Rousseaouübung sind etwa 16, in der Rhetorik etwas über 10, in der Vorlesung Große Denker nur 5 Hörer. Aber gemessen an der Kleinheit unserer HS ist selbst diese bescheidenen Zahl ganz akzeptable, ich bin also zufrieden. 















Samstag, 1. Oktober 2016

Dossier Filmförderung 2014 - gescheitert.

Porträt eines Philosophen

 Kurzbeschreibung

Wâhrend der Fahrt in den Krieg im Oktober 1941, als der russische Winter beginnt und der deutsche Vormarsch zum Stocken kommt schreibt ein frisch gebackener Doktor der Philosophie Feldpostbriefe nach Hause.
Wâhrend er  den Krieg draussen betrachtet, Rätsel löst (die von Brentano), das Elend draussen –
„oh lass mich schweigen davon“
und von dem Rätselraten wieder in die Meditation der Philosophie zurückkehrt, über die Kritik der Urteilkraft, den Kantischen Imperativ nachdenkt,  immer und immer wieder auf die  praktischen Probleme einer geknickten Universitätskarriere zu sprechen, vielmehr zu schreiben kommt:

„Ich bin übrigens guten Mutes und voll Zuversicht, wie Du wissen sollst; heute Nacht träumte ich von meiner Habilitation, und ich habe überhaupt so ein Gefühl, als brächte mich dieses Unternehmen nicht von meinem Ziel ab, im Gegenteil“ (Brief vom 4.Oktober 1941)., während er hin- und herwandert und die Möglichkeiten Revue passieren, um zu Habilitation zu gelangen
„Im übrigen habe ich die schöne Gewissheit, dass dieses Kriegserlebnis unendlich viel in meine geistigen Scheuern bringt, und ich freue mich schon sehr auf die Zeit, wo ich dieses Getreide dreschen und ausmahlen werde können.“
(Brief vom 30.12. 1941)

Diese  Fahrt in den Krieg zu beschreiben als einen Weg in die Philosophie war das ursprüngliche  Ziel des Drehbuchs-Filmprojektes, das sich vorgenommen hatte, anhand der Feldpostbriefe das Paradox einer Philosophie zu verstehen, die über Ethik und Geltung von Ethik philosophiert,
und dabei in die Rolle des tatkräftigen Handlangerr der Nationalsozialisten hineinwuchs.

Denn wer hier die Zuversicht der philosophischen Ernte ausstrahlt ist  Wolfgang Ritzel, geb 19.08.1913 der 1937/38 bei Bruno Bauch „Über den Wandel der Kantauffassungen“ promovierte und später, viele Jahre später  Professor für Philosophie und Pädagogik  in Bonn wurde.

Von meinem Vater Ulrich Ritzel wurden zu diesem Zweck die Feldpostbriefe transkribiert, in einem Privatdruck editiert – und mir zur szenischen und filmischen Bearbeitung übergeben.

Durch diesen „Auftrag“ wurde dieses Porträt jedoch  zu einem Porträt der Familiengeschichte, einer spannungsgeladenen Auseinandersetzung Vater-Tochter-Grossvater-Enkeltochter,
und mich dazubrachte auch die „Urgrossvaterwelt“ in das Projekt mithineinzunehmen:
100 Jahre Philosophiegeschichte von 1914 –2014 (und darüberhinaus).

Eine Philosophiegeschichte, die mit dem Urgrossonkel Hermann Ritzel beginnt, und fast wieder endet, mit einer Schülerschaft bei Husserl mit „Nervenzusammenbrüchen“ und  bei einer ersten abgelehnten Dissertation mit einer posthumen Publikation im Husserl-Jahrbuch eine grössere Resonanz fand.

Eine PhilosophieFamiliengeschichte also, in der  auf ganz merkwürdige Weise Einfluss und fehlende Publikation, Karriere-Abbruch und fortwirkende Ideen miteinander verflochten sind (Hermann war mit J.Daubert befreundet, der Zeit seines Lebens keine Zeile publizierte) so dass der Zwiespalt zwischen arrivierter institutioneller Philosophie und Aussenseitern, der die Philosophiegeschichte seit Sokrates durchzieht

Der Haken dabei ist natürlich - offensichtlich - dass das ICH der Recherche, ich. Nataly Ritzel, keine Philosophin bin und weder universitäre noch anderweitige Unterstützung für dieses Projekt erfahre.
Philosophie beginnt also in gewisser Weise mit dem Thema des SELBSTMORDS und des Scheiterns - der öffentlichen Blosstellung, das sich von Hermann, Albert Ritzel bis zu mir ziehen -
mit philosophischen Bilder, die den philosophischen Dirkurs der mnemosyne udn der Erinnerung, der Wiedererinnerung durchziehen -und die in meinem Mund, in meiner Recherche manchmal am falschen Ort wieder hervortreten:
mit Fragen der HALTUNG, die sich von sokratischen Dialogen des Menon und des Theaitetos bis zu Fragen an Idomeneus, Japhta  ziehen- eine dringliche, drängende Farge, die Carl Theil an Martin Buber richtete..

Das Spannungsfeld zwischen  den aktiven und einflussreich gewordenen Mitgliedern der Familie Fath  und dem den verstorbenen Zweig der Ritzel
(im Ersten Weltkrieg gefallenen) Albert und Hermann Ritzel:
- Albert der bei E.Rutherford  in Manchester studierte, mit Herbert Finlay Freundlich in Leipzig und in Jena Privatdozent wurde, und:
- Hermann Ritzel, der in München studiert hatte
- deren  Freunde, das Ehepaar Carl Theil, bei denen Wolfgang später wohnte - deren Kontakte zur Reformpädagogik zu Paul Geheeb (Odenwaldschule)  und Petersen, der Jenaplanschule- aber vorallem zu Martin Buber und Elisabeth Rotten besass - schliesslich auch  Mitglieder der Montessori-Bewegung, die   sich in wenigen aber kräftigen Spuren bis 1941 und für die Amsterdamer  / indische Montessori-Bewegung bis 1980 nachweisen lassen.

Die Kontakte des Vaters und des Onkels, ihre Verbindungen wurden – von Wolfgang Ritzel bis 1939 lebendig gehalten und  genutzt. Sie haben seine Studienjahre in der Zeit von 1933 – 1938 massiv geprägt. Wer genau hinsieht, dem zeichnet sich  ein anschauliches Bild vom Umbau der deutschen Universitâten und der Destruktiond es Wissenschaftsbegriffes...  Indem  der Abbau der philosophieschen Lehrstühle zugunsten dubioser Fächer wie Ahnenforschung und Erbhaltungslehre erfolgt, dem Verschwinden deutscher Physiker und Naturwissenschaftler....
Die offene Seiten, noch ungeklärte Fragen liefern Stoff Zu einem Lehrstück über : -
Opportunistischen Widerstand...?
Zu leisem oder aktivem Widerstand..wie bei den Freundlichs...zum  Aufstieg...wie im Fall des Otto Risse.

So lässt sich mit weiteren Tagebüchern  und Briefen ein detailliertes Bild der Studienzeit des Wolfgang Ritzel  zeichnen, das über den trocken akademischen Weg zwischen Heidegger und  Neukantianismus noch andre wichtige Personen, und  Ideen Mouvements zu einem weitgespannten Feld an Beziehungen und Namen aufzieht, das bis in den  engen Umkreis  Hitlers: dem von Rudolf Hess reicht.
Die jûngste, kaum wenige Jahre ältere Tante Wolfgang Ritzels war Hildegard Fath, die kurz nach Wolfgangs Matura und bei seinem Studiumsbeginn ihre Stelle im Hause Hess als  Privatsekretârin  anstritt.

Das Spannungsfeld, zwischen dem Reichparteitag im Herbst 1935, und dem Privatissiumu bei einem Privatgelehrten namens P.F. Linke, Jena, der ihn ins die Schriften Husserls und die seines Onkels Hermann Ritzel unterweist.
Die Abende im Hause Theil, der tagsüber vielleicht an Martin Buber geschrieben hatte, um ihm Korrekturen zurückzusenden - während Wolfgang Ritzel, oben drüber in seinem Stübchen an seinen Freund Abs Joosten einen Brief verfasste.
Der Hausherr spiele so schlecht Klavier, schreibt Wolfgang Ritzel an seine Mutter - das Problem ist nur: Carl Theil spielte nicht Klavier, er komponierte für Blockflöte.

Nun ist die Frage nach dem  (bescheidenen) philosophischen Widerstand,  vielleicht nur von untergeordnetem akademischen Interesse, die Frage ist, ob  in dem ab dem Jahr 1933 angesagten Klima  „Neukantianer-Bashings“ – wenn ich die Arbeit von U.Sieg so umschreiben darf („Aufstieg und Niedergang des Marburger Neukantianismus“) – vielleicht, aber vielleicht auch nicht – einen leisen, insignifikanten Beitrag des Widerstands geleistet hat –
als er in seiner Doktorarbeit von 1938 eine  bescheidene Würdigung des jüdischen Neukantianiers Hermann Cohen verfasste.

Diese Spannung  - zwischen Schweigen und Rekonstruktion, zwischen Verrat und Widerstand, zwischen Zensur und literarischer Vernichtung, dieser  Streit der philosophischen Schulen, der mit „vernichtenden“ Mitteln geführt und nach 1945   nur „schweigend humanistisch“ ausgefochten wurde:
Einem Schweigen, das Theil gilt, Buber und Geheeb, auch Wagenschein, um nur einige der willentlich vergessenen Pädagogen  zu nennen (Bollnow hatte ihm das vorgeworfen: Wagenschein vergessen zu haben in seiner, Wolfgang Ritzels  'Geschichte der Philosophie und Pädagogik des 20.Jahrhunderts'. ) Das Schweigen, mit  der Nachlass des Hermann Ritzels aufgeräumt wurde, um Platz zu machen in den Jahrzehnten von 1947 bis 1984  für eine Philosophie die nach 1945 nur noch vom 18.Jahrhundert redet.
Eine Philsoophie die sich mit Ansichten des Waldes von Montmorency schmückt,  so als seien dort Hirten noch zu Gange und rousseauistische Bilder von Immanuel Kant –
Die Spannung möchte ich gerne, schon alleine der Materialfülle halber, in mehreren Projekten abarbeiten, die sich jedoch ergänzen und auf einander beruhen.
Dabei war es mir wichtig, auf eine Ökonomie  des akademischen Wortes, einer Abstufung von Sprache, Schrift und Bild, Atmosphäre und Landschaft  zu achten.





„BUNKERNACHT“
Drehbuch für einen Spiel-Film
(Synopsis)

suivi du "Der "Exphilosoph" - Kurzfilm. Die Absurdität einer philosophischen Recherche, heute.


„Husserls Beerdigung“
(Theaterstück in 5 Wohneinheiten)


"Kriegsmaschine."
Roman