Brief des Wolfgang Ritzel an seine Mutter Thilde Ritzel
Rüstersiel, 17. Mai, 56
Meine liebe Mutter,
wieder einmal habe ich mich verbessert: meine Arbeitszimmer stieß doch an die dir bekannte Kraftsche Wohnung, die inzwischen einen neuen Mieter bekommen hat, nämlich Professor Wendt den zu Semesterbeginn amts magnifierten Magnifikus für 1956/57(...)
Von Uli weiß ich gar nichts, zu Ostern kam ein Brief, seither wieder nichts, kein Dank für die Ostersendung – nichts. Auch sein Freund Gustav Regler hörte leider nicht von ihm und frug mich dieserhalb schon. Der Bub ist dort wirklich alt genug, und zum Wissen, dass man ein bissel was tun muss für Freundlichkeit, Förderung, Güter – und klug genug ist gerade er doch auch...
Wir wollen dem Plan mit Rousseauübersetzung und – Ausgabe weiter verfolgen. Ich ärgere mich jedes mal, wenn ich die schlechte deutsche Ausgabe zu Hand nehme, um meine Übung vorzubereiten, - vornehmlich darüber, dass meine Studenten auf dieselbe aufgewiesen sind, weil sie ja des französischen unkundigt sind. Ich sprach mit unsrem Politikprofessor Seidl über meinen Plan, er hat besser Verlachsbeziehungen und will sich das Projekt wohl annehmen. In der Rousseaouübung sind etwa 16, in der Rhetorik etwas über 10, in der Vorlesung Große Denker nur 5 Hörer. Aber gemessen an der Kleinheit unserer HS ist selbst diese bescheidenen Zahl ganz akzeptable, ich bin also zufrieden.
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