Samstag, 16. Mai 2015

Moritz Löwi

Moritz Löwi, Breslau Wintersemester 1933/34

Typoskript Wolfgang Ritzel

Aufnahme eines unveröffentlichten Typoskripts .
Wolfgang Ritzel: "JUGEND ZWISCHEN DEN KRIEGEN", Heft 2, S.132

"Den wichtigsten meiner Breslauer Lehrer, zugleich die stärkste Persönlichkeit, der ich unter den Dozenten begegnet bin, nenne ich zuletzt: Den Extraordinarius für Psychologie Moritz Löwi. Als Kriegsteilnehmer und Kriegsversehrter (er humpelte) glaubte er naiv genug, vor den Verfolgungen sicher zu sein, denen seine Rassegenossen ausgesetzt waren. Wirklich konnte er, als ich in Breslau studierte, noch lehren und prüfen, aber seit seinen 1934 erschienen Grundbegriffen der Pädagogik"
nichts mehr publizieren."

S.133 -
"Wie er so war der um ein Jahrzehnt jüngere Wolfgang Cramer Schüler Richard Hönigwalds; 1957 widmete er dem Andenken des Mitschülers seine "Grundlegung einer Theorie des Geistes". Im Vorwort bekennt er, Löwi "den ersten Einblick in das ungeheure Problem der Subjektivität" zu verdanken, und fährt fort: "Er ist heute vollkommen unbekannt. Das gibt es also, dass ein edler, zum Denken hochbetagter Geist, der eine Fülle weitreichender Gedanken hatte, nicht eine Spur des Wirkens hinterlässt". - ich war, als ich Löwi hörte, noch nicht reif genug, die Problematik der Subjektivität zu erfassen. Immerhin kam, was ich von dem Verehrten vernahm und begriff, meinem Kant-Studium zugute, mit dem ich in derselben Zeit begann.
Immer wieder muss ich die wunderbare Kraft es Gedächtnisses bestaunen, und zwar nicht einmal so
sehr der Fülle dessen wegen, was in dieser "ingens aula" aufbewahrt wird, als in der Wahrnehmung der Ordnung, die hier herrscht. Wir erleben in Kinder-und Jugendjahren etwas für unser ganzes Leben Wichtiges, Bedeutsames, ohne seine Wichtigkeit und Bedeutsamkeit auch nur zu ahnen. Aber unser Gedächtnis ist klüger als wir selbst zu dieser Zeit:
Es bewahrt den Eindruck auf und vergegenwärtigt ihn zu späterer Zeit, da uns sein Wert aufgeht. So mein Gedächtnis die Erinnerung an meines Vaters letzten Abschied - mir eine Kostbarkeit und ein Halt im Leben, auf den ich um keinen Preis verzichten möchte. In Löwis Seminar gab jemand etwas ziemlich Albernes über Rousseaus Naturbegriff zum besten, Anlass für den Professor, das Verfehlte dieser Vorstellung aufzuzeigen und einen Exkurs über Natur bei Rousseau anzuschliessen. Ich kannte damals von Rousseau wenig mehr als den Namen und konnte durchaus nicht folgen. Aber ein Vierteljahrhundert später trieb ich Rousseau-Studien und kam auf die Frage von damals zurück, und schlagartig stand es klar vor meinem Geiste: DAS hat der alte Löwi gemeint!"



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